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restauration:gabel

Die Gabel der Indian Chief

eines der Teile welches mir noch immer besonders Kopfzerbrechen bereitet. Die Demontage allein war ein Albtraum. Vorsichtig wie man ist, trennt man alle offensichtlichen Schraubverbindungen, hält etwas gegen und würde im Normalfall die Gabel dann nach unten aus dem Lenkkopf am Rahmen herausziehen. Aber leider ging das bei meiner Indian nicht. Entweder hatte ich eine Schraube übersehen oder etwas anderes hielt die Gabel fest. Beim Abschrauben der Widerlagermutter am Lenkkopflager oben, welches verrostet und trocken war fielen einige Kugeln nach unten in den Stahlgusskörper des Lenkkopfes hinein.

Mir schwirrten zwei Dinge durch den Kopf, ich meine durch meinen, nicht dem vom Motorrad:

  • war das mal ein käfiggeführtes Lager oder fehlen hier jede Menge Wälzkörper?
  • Die Größe der Lagerauslegung erinnert mich eher an ein Fahrrad als an ein Motorrad.

Die Gabel wackelte zwar wie ein Kuhschwanz, ließ sich aber trotz leichter Schläge mit dem Gummihammer nicht entfernen. Um besser Arbeiten zu können haben wir den Rahmen auf die Motorradhebebühne gestellt und verzurrt. Um so wenig wie möglich Schaden zu verursachen zog ich die Explosionszeichnung zu Rate, um die eventuell nicht offensichtlichen Schraub-, Steck- oder Splintverbindungen zu suchen. Leider waren keine versteckten Schrauben auszumachen. Also Plan B sagte ich zu meinem Kumpel Andreas: “ ich lege was bei und hau mal hier oben drauf und Du kuckst was unten passiert…“ Erst ganz vorsichtig Dingdingding und dann etwas mehr bumbumbum und dann wird man etwas wutelich und macht wumwumwum.

Jetzt hätte Nelson wieder seinen passenden Auftritt mit „Haha“ Trotz das die Gabel klappert, wackelt und liebevoll mit wutigen Hammerschlägen geködert wurde hat sie sich keinen Millimeter bewegt. Zum X.mal untersuchte ich den Lenkkopf in der Hoffnung auf eine kleine Schraube usw.. Nach einer Weile kratzten wir unter einer Schicht Farbe zwei senkrechte Bohrungen frei.

Nach kurzer Diskussion waren wir uns einig, dass es sich hier vermutlich um die Austreiblöcher für den äußeren Lagerring am Lenkkopflager unten handeln könnte. Der passende Austreiber war schnell gefunden. Unter symmetrischen Prellen im rechten und linken Loch rutschte das widerspenstige Ding langsam heraus. Andreas bemerkte zwischenzeitlich noch das er sehr gespannt ist, welche magische Unbekannte die Gabel im inneren festgehalten hat. Bloob ging es und das Gabelrohr war frei, dabei fielen alle restlichen Kugeln zu Boden. An diesem Lager war im Gegensatz zu oben noch etwas Fett, welches rasch entfernt wurde, um eine Diagnose zu erstellen. Das war gar nicht so einfach. Erst nachdem wir die Kugeln aufgelesen und zusammen mit dem Lenkerlagerrohr näher betrachtet hatten konnten wir die Sache nachvollziehen. Wie auch immer hat das Lenkerlager Kugeln verloren oder diese wurden bei einer Reparatur nicht mehr eingebaut keine Ahnung was mein unbekannter Vorbesitzer den ich freundlicher Weise mit den drei Affen vergleiche welche die Trübung der Sinne Nichts Sehen, Nichts hören und Nichts sagen darstellen getrieben hat. Auf jeden Fall haben sich die restlichen Kugeln alle auf der hinteren Seite gesammelt. Dadurch entstand Spiel im Lenkerlager und bei jedem Lastwechsel in Verbindung mit einer Lenkbewegung haben sich die Kugeln in das Rohr des Lenkkopfes mehr eingewalzt. Natürlich entsteht bei solch einem Umformprozess überflüssiges Material (kennt nach einer vielleicht von Mamas Kuchenteig), welches sich Kringelartig herausschiebt und wie in unserem Fall eine eigene Nietverbindung hergestellt hat. Die Kugeln haben sozusagen das Rohr im Rahmen festgehalten. Die erste Bilanz:

  • Beide Steuerkopflager müssen erneuert werden, ggf. ersetzt durch Kegelrollenlager
  • Das Lenkerlagerrohr ist am unteren Teil von den Kugeln halb durchgewalzt und muss ersetzt werden

Die zweite und mit deutlichem Abstand schlimmere Bilanz folgte nach dem Reinigen und Sandstahlen der Gabel. Das rechte Gabelrohr hat im unteren Bereich einen ca. 50mm langen Frostriss. Zum Zeitpunkt der Entdeckung dachte ich noch „Naja wird schon werden…“ . Mein Optimismus wurde sehr schnell gebremst nach dem ich sämtliche Händler und das Internet befragt hatte. Die Gabeln gibt es einfach nicht und keiner baut diese nach. Wenn man irgendwo eine bekommt kostet diese Minimum 1000,00 Dollar und hat natürlich einen Frostriss, was aber wir üblich bei diesen Internetauktionen heruntergespielt wird, es handelt sich nur um einen „Schönheitsfehler“ Nicht einmal Richard Schönfeld hat eine Alternative. Allerdings ist er im Stande das Lenkerlagerrohr zu tauschen und die Gabel zu vermessen. Da ich das Lenkerlagerrohr selbst reparieren möchte, hatte ich ihm die Gabel nur zum vermessen gesendet. Einige fragen sich nun, warum schickt der eine ohnehin defekte Indiangabel zum vermessen? Das ist doch völlig sinnlos. Die Antwort ist NEIN ist es nicht. Der Hintergrund warum diese Arbeit durchgeführt wurde ist zum einen das Herr Schönfeld die Technik und Erfahrung hat das in kurzer Zeit beurteilen zu können und zum anderen wollte ich die Gabel im CAD nachkonstruieren. Zusammen mit meinem Kumpel Marco haben wir uns ans Werk gemacht eine Konstruktion zu realisieren. Nach unzähligen Stunden mit messen, probieren etwas zu messen, Anfertigen von Schablonen, Versuche ein 2D Modell zu erstellen usw. haben wir resigniert. Der Zeit- und Nervenaufwand wäre unverhältnismäßig. Da das Aufgeben weniger zu meinen Stärken gehört habe ich eine Firma im benachbarten Thüringen zur optischen Vermessung kontaktiert. Die Firma Digimold aus Sonneberg unter der Leitung von Andreas Stier nahm den Auftrag an. Nach ein paar Tagen bekamen wir erste Daten zugesendet, welche wir allerdings so nicht verarbeiten konnten. Erst nach der Flächenrückführung hatten wir etwas greifbares in der Hand. An dieser Stelle noch einmal recht vielen Dank an Herrn Stier und sein Team, Sie haben gute und professionelle Arbeit geleistet.

Die Indian Chief Gabel von 1938 war nun als CAD Modell verfügbar und somit auch das einzelne virtuelle Gabelrohr. Die Frage war nun wie wurde dieses Rohr damals gefertigt? Diese engen Biegeradien bei gleichzeitiger Querschnittsreduzierung. Ehrlichgesagt wir tappen bis heute im Dunklen. Alle Möglichkeiten vom Ziehen bis zum Guss wurden gedacht, aber es gibt für nichts den Beweis.

Durch Zufall bin ich auf ein modernes Verfahren gestoßen, welches eine realistische Option darstellte. Das Umformverfahren befindet sich immer noch in der Erprobungsphase an der technischen Universität. Umgehend habe ich mit dem Entwickler und verantwortlichen Ingenieur Kontakt aufgenommen. Es stellte sich heraus, dass er ebenfalls ein Oldtimerfreund ist. Über das Verfahren darf ich leider noch keine Auskunft geben da die Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Es wurde ein Probeversuch mit einem etwas dünneren Rohr aus Baustahl durchgeführt, das Ergebnis war erstaunlich. Zwar sind stimmte die Kontur nicht ganz hundert Prozent, aber eindeutig der erste Schritt in die richtige Richtung! Mit dem Wissen um das gute Ergebnis und meinen Enthusiasmus begab ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Halbzeug. Ich habe alles abgesucht und das halbe Internet auf den Kopf gestellt. Das Ergebnis und die Antworten war immer ähnlich : „ja das haben zwar gelistet, aber das wird im Moment nicht hergestellt“ oder „ab 200 Stück 6m Stange könnten wir die Produktion einleiten“ …wohl gemerkt mit einer Lieferzeit bis zu 12 Monaten. Also habe ich wieder Herrn Schönfeld angerufen und um Rat und Mithilfe gefragt. Er selbst fertigt Rahmen und Rahmenteile nach und verwendet dafür ein CrMo-Rohr. Entgegen all meiner erheblichen Zweifel zum CrMo Werkstoff fragten wir in der USA nach der Lieferbarkeit an. Das Problem stellte die Länge dar. Bei 6m Stangen wäre der Versand nicht bezahlbar gewesen. So hat Herr Schönfeld einige Firmen in den USA abtelefoniert und wir haben uns am Ende auf die Mindestabnahmemenge von 5 Rohren mit einer Länge von 2440mm beschränkt. Der ganze Rohr-Zauber hat mich bei Herrn Schönfeld exakt 1027,64 Euro gekostet. Das sind 84,23 Euro pro Meter Rohr, nur am Rande einmal erwähnt für alle Träumer, die glauben hier kommt man mit einem schmalen Taler weit…. Nach ein paar Wochen wurde das Rohrmaterial angeliefert. Sofort habe ich diese ins Auto eingeladen und bin zusammen mit meiner Frau die 450km Ecke zur TU gefahren. Ich hatte meine originale Gabel mitgenommen, um den Mitarbeitern und Studenten dort etwas Hardware zu zeigen. Freundlich und bereitwillig beantworteten sie mir meine Fragen in Bezug auf den Umformprozess. Ich weiß wirklich nicht mehr wie lang ich dort im Gebäude war, aber als ich zurück zum Auto kam schlief meine Frau tief und fest…..ich dachte noch mmmhh der nach Hauseweg ist ja lang genug um diese kleine Ehekrise zu bewältigen… Kaum die Heimat erreicht wurde mir eine e-mail von Uni zugestellt mit der Nachricht, das ein Teil vom Werkzeug zu klein sei um das Rohr in die Maschine einzuführen. Prompt meine Antwort, wie kann ich helfen. Es wurde eine Adapterhülse aus Messing benötigt 220mm lang und 80mm im Durchmesser mit Kegelkontur innen und außen. Da das Material nicht da war, wurde dieses bestellt. Das größere Problem stellte die Bearbeitung dar. Mit unserer Drehmaschine nur unter enormen Aufwand machbar und beim Rohstoffpreis von dem Messingklumpen wollte ich keinen Ausschuss riskieren. Wieder einmal, ehrlich gesagt schon viel zu oft in meinem Leben, konnte ich meinen Freund Manfred (Manni) dazu gewinnen das Drehteil auf einer sehr präzisen Zyklendrehmaschine fertig zu bearbeiten. An dieser Stelle denken bestimmt wieder einige „na klar, der hat ja auch etliche Freunde, kennt Hins und Kunz und die machen alles für den…“. „Mit Nichten“ wie Heinz Erhardt schon sagte. Diese Freundschaften haben sich über Jahre hinweg entwickelt mit grundlegender Basis auf Nehmen und Geben ohne Rücksicht auf den eigenen Zeit.- und Materialeinsatz . Vor allem ganz wichtig unentgeltlich !! Das nur als Randnotiz für alle Herren welche ihre Hände mit rudimentärem handwerklich Erfolg einsetzen, mehrmals im Jahr wochenlangen Standurlaub machen und glauben mit Geld alles kaufen zu können. Es verging etwas Wartezeit bis Manni die Hülse fertig hatte. Rasch das Ding verpackt und an die TU geschickt. Dort waren natürlich erst einmal Semesterferien. Ein paar Wochen später, nach Überarbeitung der Software, wurde ein Versuch durchgeführt. Das Ergebnis war katastrophal. All meine Vermutungen auf das CrMo Material wurden leider bestätigt. Wie auf dem Bild zu sehen ist kollabierte das Rohrmaterial vollständig. Ein herber Rückschlag, aber damit nicht genug. Dem verantwortlichen Diplomand lief die Zeit ab und zu allem Übel wechselte der Leiter (mein mittelweile guter Freund Matthias Hermes) zu einer anderen Hochschule, um dort einen eigenen Lehrstuhl zu übernehmen. (jetzt Prof. Dr.-Ing. Matthias Hermes and der FH-SWF in Meschede) Die Zeit war zu kurz um ein anderes geeignetes Material finden, die Anlage auf diese Parameter anzupassen und Versuche zu fahren.

Zeitraum von der Demontage der Gabel bis zum heutigen Stand: 2 Jahre Derzeitige Stand: Ein neues Rohrmaterial ist gefunden, und nach den Semesterferien wagen wir ein neues Tänzchen. Merkzettel benötigte Teile: Gabelrohr rechts, Reparatur Steuerrohr, Umbau auf moderne Kegelrollenlager

Leider können wir derzeit keine neuen Versuche zur Umformung fahren, da es Prof. Dr.-Ing. Matthias Hermes noch nicht gelungen ist sein inkrementales Rohrumformen im der Hochschule Meschede zu etablieren. Matthias steht mir trotz der Entfernung unserer Wohnorte immer mit Rat und Tat zur Seite. Ich schätze seinen messerscharfen Verstand gepaart mit den Grundregeln der Konstruktion Einfach, Eindeutig, Sicher.

In der Zwischenzeit habe ich meine Gabel bei einem professionellen Schweißer, spezialisiert auf Oldtimer, nachschweißen und anschließend Wärmebehandeln lassen. Das mag keine saubere Lösung sein, aber ich muss das Fahrzeug ja irgendwie mal wieder auf die eigene Achse stellen.

Für den Umbau des Lenkerkopfs auf Kegelrollenlager habe ich welche von der Firma Timken gefunden. Der untere Lagersitz am Lenkkopf ist unproblematisch, da der Lageraußenring hinein passt. Lediglich die Lagertasche ist zu tief. Eine angefertigte Distanzhülse zwischen Anschlag und Lageraußenring gleicht nun das Maß wieder aus.

Deutlich schlechter sah es an der oberen Lagerstelle aus. Der Außenring vom Lager war 4mm größer als der Durchmesser der vorhandene Lagertasche. Zusätzlich war das Lager 5mm höher als die maximale Tiefe vom Lagersitz. Der Indian Rahmen hat an dieser Stelle kaum Material. Weder für den benötigten Durchmesser noch für die Tiefe. → und ganz wichtig der Vorsatz: es soll von außen kaum oder garnicht sichtbar sein! Den Rahmen in die Fräse spannen und den Lagerkopf aufspindeln war die 1. Idee, aber 2mm im Radius war zuviel. Also mußte der Lageraußenring auch etwas Material abgeben. Dort ist bei 1mm im Durchmesser das Ende der Fahnenstange erreicht. Da ich selbst keine Rundschleifmaschine habe, bin ich mit dem Lager zu meinem Kumpel Klaus Krüger nach Reichenbach gefahren. Klaus ist wenn man so will „Letzter seines Standes“. Er hat noch das Handwerk Kurbelwellenmacher gelernt! Ja Leute, er ist tätsächlich noch in der Lage aus Rohteilen / Rohmaterialien Kurbelwellen herzustellen. Er macht solche Sonderanfertigungen für Oldtimer Motorräder täglich, hat immer ein offenes Ohr und ganz wichtig er macht das Ganze gern und mit Liebe. Ich bin noch nie von Klaus weggegangen ohne wieder etwas dazugelernt zu haben. Wenn Ihr Probleme mit einen Motorrad Kurbelwelle habt, dann → Firma Klaus Krüger, die Adresse und Telefonnummer findet Ihr unter dem Punkt an der Sidebar: meine Freunde, Firmen, Links Nachdem der Lagerring abgeschliffen war ging es dem Steuerkopf an den Kragen. Hier musste ich meinen Freund Daniel Riedel um Hilfe bitten, da der komplette Rahmen in bzw. an der CNC Fräse befestigt werden mußte. Unsere Firmeneigene CNC Fräsmaschine ist dafür leider zu klein. Es war selbst mit der riesigen 5-Achs Maschine ein enormer Aufwand den Rahmen aufzuspannen. Nach dem Antasten und programieren war der eigentliche Fräsvorgang in ein paar lächerlichen Sekunden erledigt.

Die Lagerhöhe konnte nicht ausgelichen werden, da hier wirklich kein Fleisch war um die Lagertasche tiefer zu setzen. Da ich selbst keine originale Steuerkopfmutter mehr hatte um erst einmal die Originalmaße abzunehmen habe ich bei Juergen Mattern (Indian Teile Dienst) nachgefragt. Jürgen hat mir ohne zu zögern eine dieser Muttern zum Vermessen zugesendet. Zum Längen-Ausgleich habe ich eine neue Lenkerkopfmutter konstruiert, welche in der Gesamtlänge 3mm kürzer ist.

400

Auf Gund des Profils der Mutter sieht man den Unterschied zum Original kaum. Dazu kommt noch das diese Mutter zu 50% unter dem Lenker verschwindet.

400

Mit den neuen Kegelrollenlagern wurde die Gabel zur Probe im Rahmen montiert. Was soll ich sagen? So muss das sein! Das ist aktuelle Lager-Technik gepaart mit einem 80 Jahre altem Motorrad. Kein spürbares Kippeln oder Spiel an der Gabel und dabei lässt sie sich ohne Kraftaufwand bewegen. Mit dem Ergebnis bin ich rundum zufrieden.

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