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restauration:radnabe

Die Radnabe der Indian Chief

oder wie dieses Bauteil oft aus mir unerklärlichen Gründen als Radnarbe bezeichnet wird. Definiert wird die Nabe als ein Maschinenelement, welches auf einer Welle, Achse oder auf einem Zapfen montiert wird. Sie besteht meistens aus einem gebohrtem Element, das je nach Anwendungsfall ein Lager, ein formschlüssiges Mitnehmerelement wie Passfeder usw. oder eine Übermaßpassung (kraftschlüssig) dauerhaft mit der zugehörigen Welle oder Achse bzw. dem zugehörigen Zapfen verbindet. Die Nabe ist immer ein Bestandteil der Welle-Naben-Verbindung. Demnach kann man an den Radnaben kein Gras entdecken das es sich vielleicht um eine Grasnarbe handelt. Rostnarben finde ich einige, aber das ist nach all den Jahren vollkommen in Ordnung. Diese sind auch nicht sehr tief, da die originale Radnabe aus Stahlguss gefertigt wurde. Deutlich schlimmer sind die Verschleißspuren an der Verschraubung zur Trommelbremse. Aber erst einmal die Fakten. Bei Motorrädern war es früher üblich die Räder in einer sogenannten Halbnabenkonstruktion auszuführen. Bei dieser Variante wird die Radnabe als separates Bauelement an die Bremstrommel mit Ankerplatte welche ebenfalls ein eigenständiges Element bildet angeschraubt. Diese Konstruktion erlaubt eine einfache und unkomplizierte Demontage und Montage der Laufräder, da die Bremsanlage an der Gabel bzw. Hinterradschwinge befestigt bleibt. Außerdem erlaubt diese Bauweise den Austausch der Räder von Vorderachse und Hinterachse selbst bei unterschiedlich groß dimensionierter Trommelbremsanlage. Der Nachteil liegt aber auch gleich zuvor genannten Vorteil. Diese zusätzliche Klemmung zwischen Nabe und Trommel erhöht die dynamische Last auf die Lager. In meinem Fall der Indian Chief wurden auf der Radnabenseite sowie auf der Bremstrommelhälfte relativ groß dimensionierte Walzenlager verwendet. Wälzlager mit Zylinderrollen können sehr hohe radiale Kräfte aufnehmen. Die erhöhte Wechselbelastung durch die Verschraubung der Bauteile wird durch die Summe der Länge der Wälzkörper kompensiert. Die original verbaute Lagerung ist jeweils ein zweireihiges käfiggeführtes Zylinderrollenlager ohne festen Lagerring innen und außen. Der äußere Lagerring ist in die Radnabe eingepresst und der innere Lagerring ist ein Teil der Distanzhülse zwischen der Radnabenlagerung und der Lagerung der Bremsanlage. Der Außenring lässt sich mit Hilfe einer Presse mühelos herausdrücken. Das Nachhonen dieser Lauffläche geht leider nur im ausgebautem Zustand. Das ist ein zweischneidiges Schwert. Der Ring ist zwar relativ dick, aber wenn im übertriebenen Sinne gesagt der Lagersitz in der Nabe ein Ei ist, dann ist die frisch gehonte Lagerlauffläche nach dem Wiedereinpressen auch unrund…aber wo fängt man an, wo hört man auf, was war zuerst da das Ei oder das Huhn? Man kann ja den Rundlauf nach der Montage zur Sicherheit noch einmal mit einem Feinzeiger abtasten. „Das die liebe Seele ruh hat“ Einfacher ist der Innenring, diesen würde ich einfach mit der Rundschleifmaschine überschleifen. In der USA kann man Übermaßwalzen kaufen, um das passende Lagerspiel wieder zu realisieren. Eigentlich eine super Sache mit vertretbarem Aufwand. Aber leiderleiderleider hat mein schon so oft erwähnter unbekannter Vorbesitzer (ihr wisst schon das Technik Ass) geschlafen und geträumt. Schraubverbindungen waren offenbar auch nicht seine starke Seite. Oft vergleiche ich den Vorbesitzer mit einen der drei Affen welche Trübung der Sinne Nichts Sehen, Nichts hören und Nichts sagen darstellen. Meistens füge ich diesem Trio einen weiteren Affen hinzu. Dieser hält einen Drehmomentschlüssel hoch und sagt „das Ding hat der Teufel gebaut“ Man kann schlecht bestimmen oder schätzen, wie oft in den vergangen Jahren die Laufräder der Indian ausgebaut worden. Wenn wir annehmen, das dies einmal pro Jahr geschehen ist, dann wären das bis heute (2014) ungefähr 76 Demontagen und Montagen. Das ist eine hohe Zahl wenn man bedenkt das die Räder nicht immer unter sauberen Werksattbedingungen ausgebaut worden, sondern sicherlich auch unter widrigen Wetterbedingungen am Straßenrand auf Grund eines platten Reifens.

Bild von den ausgekauten Löchern in der Bremstrommel zur Befestigung der Radnabe. An dieser Stelle werde ich zur Reparatur den originalen Lockreis auf der Fräsmaschine durch aufbohren der Löcher wiederherstellen. Anschließend fertige ich Gewindehülsen mit Innen.- und Außengewinde. Das diese sich nicht beim Verschrauben bewegen, werde ich auf der Seite der Bremstrommel die einzelnen Hülsen mit ein paar Laserschweißpunkten fixieren.

Da ich ohnehin zwei neue Radnaben benötige, habe ich die mir vorhandenen Fragmente als Muster genommen und eine CAD Zeichnung gemacht. Bei der Gelegenheit habe ich die Lagerstelle auf ein gekapseltes doppelreihiges Pendelkugellager umkonstruiert. (Natürlich von außen unsichtbar) Pendelkugelleger haben nicht eine so hohe Tragfähigkeit wie Rollenlager. Bei der von mir gewählten Größe habe ich allerdings keine Bedenken. Die Verbindung zwischen Radnabe und Bremstrommel ist wie oben beschrieben trotz Vorspannung auf Grund von der Klemmung dynamisch belastet. An dieser Stelle spielt das Pendelkugellager sein Können aus. Jetzt kommen wieder diejenigen, welche mit den auf Lebenszeit vorgeschmierten und vollständig gekapselten Lager ein Problem haben. Sprüche wie: das hält nicht lange und Drehzahlfest sind die Dinger auch nicht ec… Einfach mal bitte die Vorderachslager mittlerweile fast aller Hersteller von Automobilen ansehen und die Aussagen überdenken, mehr kann und will ich dazu nicht sagen.

So die Radnaben sind nun fertig gedreht. Mit heutiger CNC Technik eigentlich kein Problem…wäre da nicht die Tücke der Senkungen für die Radspeichen. Wie da innen rankommen und mit was war hier die Große Frage. Mir gingen einige Lösungen wie ein kleiner Winkeltrieb für den Kegelsenker durch den Kopf. Leider alles viel zu kompliziert und unpraktikabel. Als ich mein Problem meinem Freund Daniel Riedel (CNC Fräser und Oldtimer-Motorrad-Enthusiast) schilderte, lachte dieser und sagte „Des werd heut ganz anders gemacht mein Guter!“ Rückwärtssenker ist der Schlüssel! Hier fährt bei stehender Spindel ein einschneidiges Werkzeug (Rückwärtssenker) exzentisch durch das Speichenloch. Fährt dann auf Mitte Speichenloch, schaltest die Spindel ein und zieht den Rückwärtskegelsenker nach den Vorgaben zurück bzw. beschreibt zusätzlich konzentisch Kreise. Wieder etwas dazugelernt und wie schon mehrfach angesprochen das Gewicht von Freundschaften bei diesem Projekt.

restauration/radnabe.txt · Zuletzt geändert: 2024/04/16 22:16 von 127.0.0.1

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