Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


restauration:kupplungshebel

Der Kupplungshebel

nicht wie bei heutigen Motorrädern üblich wird die Kupplung von Hand betätigt, sondern wie zu dieser Zeit üblich mit dem Fuß. Wenigstens haben die damaligen Indian Konstrukteure den linken Fuß gewählt, so das ich gespannt sein darf, ob ich mein erlerntes Wissen vom Auto übertragen kann. Das Lager für den Betätigungshebel befindet sich direkt am Rahmen. Ein kurzer Funktionstest am alten Hebel der Chief erfüllte wieder einmal alle Erwartungen: - Hebel durch Stürze und oder darauf herumtrampeln stark verbogen und abgeschliffen - hintere Fußbetätigung fehlt vollständig - Lagerung komplett ausgeschlagen - Hebel klappert in alle Richtungen, das wenn man die Kupplung überhaupt getrennt bekommt, dürfte das sanfte Einkuppeln selbst für geübte Fahrer Utopie sein. Ich wollte das gute Originalteil nicht aufgeben, eine Reparatur wäre denkbar. Die Demontage erwies sich wie schon bei einigen anderen Komponenten als eine Herausforderung. Nach entfernen des Sicherungssplintes, welcher beim Aufbiegen weggebrochen ist (kein Wunder dieser wurde vermutlich schon unzählig oft wieder verwendet), wäre ja nur diese 1/2 –20 Zoll Kronmutter an der Lagerwelle zu lösen gewesen… Aber nein, ich konnte die Mutter ohne merklichen Widerstand 360 Grad drehen. Als gebranntes Kind wurden zwei Dinge klar: 1. die Welle dreht mit und es muss eine Lösung gefunden werden diese zu blockieren 2. nun ist klar warum mein Vorbesitzer das ausgeschlagene Lager nicht repariert hat, er wird wohl gedacht haben „ignorieren…einfach ignorieren…“

Die Kupplungshebelwelle, welche ich weiter oben im Text fälschlicherweise als Achse bezeichnet habe (eine Achse steht fest; Beanspruchung statisch, eine Welle rotiert; Beanspruchung dynamisch), ist original abgesetzt, wird von hinten durch den Kupplungshebel gesteckt und von außen vernietet. Bestimmt hat diese Nietverbindung sehr lang gehalten, aber nun gilt es die Welle erneut, wenn auch nur provisorisch zu befestigen, um die Mutter zu lösen. Vorsichtig habe ich mit Hammer und Körner ein paar Stellen am Rand aufgeworfen. Danach konnte man die Kronmutter abschrauben und das Bauteil entfernen. Beide Komponenten Welle sowie Lager waren verschlissen. Das Lager besteht einfach aus einer Bohrung im Stahlgussrahmenteil ohne eingezogene Buchse. Wie auf den Bildern zusehen ist haben die unzähligen Kupplungsvorgänge und die Vibrationen des Motors deutliche Spuren hinterlassen.

geplante Arbeitsschritte:

  1. Aufbohren des Rahmenlagers und Einsetzten einer Messinglegierungsbuchse mit integriertem Gleitmittel (Übermaßpassung). Der vorhandene Fettschmiernippel wird natürlich wieder zur historisch Dekoration montiert.
  2. entfernen der Welle am vorhandenen Kupplungshebel
  3. Herstellen einer neuen Welle mit Gewinde 1/2 –20 Zoll
  4. Richten des Hebels um die ursprüngliche Form wieder herzustellen
  5. Schleifen der Hebelanlagefläche
  6. Montage der Kupplungswelle vorzugsweise durch eine Nietverbindung
  7. Herstellen der Spielpassung von Welle und Buchse durch Nachreiben der im Rahmen eingepressten Messingbuchse

Einkaufsliste:

  1. 1 Stück Zwischenscheibe aus Kunststoff zur mechanischen Entkopplung an der Anlagefläche am Kupplungshebel
  2. 1 Stück Zwischenscheibe aus Stahl als Rahmenwiderlager
  3. 1 Satz Pedalgummis
  4. 1 Satz hinteres Pedalteil
  5. 1 Satz Befestigungsmaterial wie Feder, Mutter, Splint

Glücklicherweise gab es in einem amerikanischen Onlineshop diese Teile auch für meine 1938iger Indian Chief. Bis zur Lieferung wollte ich die Zeit nutzen um die Liste „geplante Arbeitsschritte“ zu erledigen.

Schritt 1: Aufbohren des Rahmenlagers und Einsetzten einer Messinglegierungsbuchse

Da der Rahmen sehr sperrig ist, bestand mit meinen zur Verfügung stehenden Mitteln keine Möglichkeit das Loch auf einer Fräsmaschine aufzubohren. Die Ständerbohrmaschine konnte ich modifizieren um das Loch bohren und reiben zu können. Der eigentlich Vorgang dauert dann nur ca. 5 Minuten. Der größte Aufwand besteht darin den Rahmen auszurichten und festzuklemmen. Die Bohrung im Rahmen wurde mit einer H7 Passung hergestellt, die Messingbuchse wurde mit entsprechendem Übermaß (r6 ca. +3 Hunderstel) auf der Drehmaschine vorbereitet und anschließend auf der Presse montiert.

Schritt 2: entfernen der Welle am vorhandenen Kupplungshebel

Meine provisorische Maßnahme als Verdrehsicherung ließ sich einfach mittels Spiralbohrer und Akkubohrmaschine lösen. Die verschlissene Welle fiel dann einfach heraus. Mein nächster Blick fiel auf die Anlagefläche der abgenutzten Kunststoffscheibe. Diese hatte sich dort im Lauf der Jahre eingearbeitet und Material abgetragen. Bei genauerem Hinsehen stellte ich fest das die Anlagefläche verbogen war. Ein Nachschleifen war nur nach dem Richten des Kupplungshebels sinnvoll. Allerdings kamen mir erste Zweifel, da die Abnutzung ca. die Hälfte der Materialstärke ausmachte. So krumm wie der Hebel war dürften selbst nach dem Richten für die Flachschleifmaschine noch ein paar 1/10mm übrigbleiben zum glätten der „Wogen“. Es war dann ernsthaft fraglich, ob der Hebel noch stabil genug ist.

Schritt 3: Herstellen einer neuen Welle mit Gewinde 1/2 –20 Zoll

Als Material habe ich 16MnCr5 gewählt, ein klassischer Stahl für Wellen. Neben der relativ hohen Zugfestigkeit lässt sich dieser Stahl nach der Bearbeitung sehr gut härten. Ein Halbzeug wurde aufgespannt, geschruppt und geschlichtet h7 Passung (System Einheitswelle). Beim Gewinde hatte ich ehrlich gesagt etwas Probleme. Unsere gute alte konventionelle Matra Drehmaschine kann auch zolliges Gewinde schneiden, aber ich musste erst einmal nachlesen wie die Hebel in die richtige Position gebracht werden müssen. Als Gewindeschneidmeißel habe ich die Wendeplatte für die metrische 1,5mm Steigung verwendet. Der Flankenwinkel beim Zollgewinde in diesem Fall UNC (Unified Coarse Thread-Einheitsgewinde grob) 20 Gang pro Zoll, ist ja glücklicherweise 60 Grad wie beim metrischen ISO Gewinde. Das Ergebnis ist gut geworden.

Schritt 4: Richten des verbogenen Kupplungshebels

Der Vorgang als solches ließ sich mit einfachen Mitteln wie Schraubstock, Hammer und Rohrzange bewerkstelligen. Allerdings bemerkte man beim zurückbiegen bereits das sich das Material durch die Kaltverfestigung aufhärtete. Am hinteren Ende des Kupplungshebels schnürte sich der Werkstoff ein und begann mit der Rissbildung. Nun hilft auch kein Glühen mehr um den Stahl zu homogenisieren. Der Riss ist das Ende der oberen Steckgrenze am Spannungs-Dehnungsdiagramm (Hooksches Gesetz).

Meine Entscheidung stand fest. Der Indian Chief Kupplungshebel wird nachgebaut.

Die CAD Konstruktion war etwas zeitaufwendig aber realisierbar. Als Material habe ich rostfreien Edelstahl gewählt. Der Hindergrund ist der Korrosionsschutz. Der Hebel wird natürlich, wie original schwarz lackiert. Sollte die Farbe aber durch das Betätigen mit dem Fuß oder einen gar einem Sturz beschädigt werden, besteht keine Gefahr von Rostbildung. Ein weiterer Grund für die Werkstoffauswahl VA ist die Anlagefläche zum Rahmen. An diesem Lager mit Kunststoffzwischenscheibe lässt sich durch äußere Einwirkungen wie Feuchtigkeit, Schmutz sowie Reibung kein dauerhafter Korrosionsschutz erzeugen. Selbst eine harte Chromschicht würde verschleißen und schließlich den blanken Stahl hervorbringen. Der Edelstahl bildet keinen Rost trotz blanker Oberfläche und ist somit dauerhafter.

restauration/kupplungshebel.txt · Zuletzt geändert: 2024/04/16 22:16 von 127.0.0.1

Donate Powered by PHP Valid HTML5 Valid CSS Driven by DokuWiki